Eigentlich war es mehr ein Zufall, doch die Laufzeit am Samstagabend ermöglichte einen entspannten Besuch mit Freunden in einem republikweit mehr als bekannten Programmkino, dem PK Ost (Programmkino Ost), wie es hier in Dresden kurz heißt. "Frau Müller muss weg" lief am Samstag um 19 Uhr im GLORIA Saal, der mit reichlich 200 Zuschauern gut gefüllt war.
Dass das, was zunächst als Kommödie vermutet worden war von, sich letztlich als psychologische Studie Dresden in einem Mikrokosmos, nämlich der Schule (und bei ein wenig mehr Abstand sogar einem umfänglicheren Kontext) entpuppte, ließ sich bei den ersten auf der Leinwand vorbeiflimmernden Momentaufnahmen der Dresdner Stadtsilhouette nicht erahnen.
Der Plot ist schnell erzählt: eine Handvoll besorgter Eltern haben Angst, um die für eine Versetzungsempfehlung erforderlichen Noten ihrer Sprösslinge und haben sich in Vertretung für die komplette Klasse (eine Unterschriftenliste als Beweis) an einem schulfreien Samstag mit der Klassenlehrerin zu einer Aussprache verabredet. Man will ihr nahelegen, dass sie die Klasse noch vor den Halbjahreszeugnissen abgeben soll, da sie aus Elternsicht nicht ihren pädagogischen Auftrag erfüllt. Die Klassenlehrerin, wider Erwarten resoluter und leidenschaftliche Pädagogin ist zunächst geschockt, benötigt einen Moment, hinterfragt einige als unverrückbare Realität dargestellte Ereignisse und verlässt erbost das Klassenzimmer. Doch sie vergisst ihre Tasche (nebst Terminplaner und Notenübersicht).
... und hier beginnt sich die Geschichte richtig zu entwickeln, anders als zunächst zu erwarten.
Sicher auf den ersten Blick mag es um die "Helikopter-Eltern" gegangen sein, die sich in das Leben ihrer Sprösslinge derart einmischen, dass sie selbst wieder die Hausaufgaben machen, nur um sicherzustellen, dass die Noten stimmen. Dabei vergessen sie jedoch, dass es neben den schriftlichen auch mündliche Prüfungen gibt. Hier fällt spätestens den Lehrern in der Regel auf, dass etwas nicht stimmt.
Aus einem größeren Abstand betrachtet spielte sich an dem Tag in der Schule mehr ab als nur der beabsichtigte "Rausschmiss" der Lehrerin aus ihrer Klasse. Es war ein Spiegelbild des ganz "normalen" Wahnsinns, der sich auch 25 Jahre nach der Wende beobachten lässt, wenn in Westdeutschland sozialisierte Zugereiste (die lediglich wegen ihres Jobs z.B. in Dresden sind) und sich wundern, dass die Integrationskultur eine gänzlich andere als z.B. in Köln ist. War noch zu Beginn des (Film-)Tages die selbsternannte Wortführerin Jessica (gespielt von Anke Engelke) der Kristallisationspunkt der "Elternattacke" zerbrach dieses Muster sobald die Gruppe auf einmal ohne ihr "Bekämpfungsobjekt" (Lehrerin Frau Müller, gespielt von Gabriele Maria Schmiede) im Raum stand. Die Energie, die sich bisher auf Frau Müller konzentriert hatte, lag nun sozusagen im Leerlauf.
Es war, als ob sich alle Beteiligten auf einmal ganz anderen Themen widmeten, während sie allesamt versuchten Frau Müller im Schulhaus (durchaus mit einigen überraschenden Wendungen, .... "Ich suche Frau Müller!", "Im Wasser?" Persönliche Angelegenheiten aller Beteiligten, die bislang durch den Fokus auf das Wohl der Sprösslinge mehr als nur überlagert, sondern sogar zugedeckt waren, traten zu Tage.
Überspitzt und skaliert ist die Geschichte im samstäglichen Schulhaus auch in die Republik zu verlagern, in der oft Politik und Politiker die Geschicke der Bevölkerung sprich Bürger zu regeln versuchen. Nicht immer unter voller Wahrnehmung untrüglicher Anzeichen der Veränderung, die dann von heute auf morgen als unlösbar scheinende Probleme gesellschaftlicher Art wahrgenommen werden. Die Gesprächskultur fällt dann teilweise in einen Modus (zwischen allen Beteiligten) zurück, der den hitzigen Eskapaden der Akteure in "Frau Müller muss weg" nicht unähnlich sind (wenn auch nicht ganz so überspitzt).
Alles in allem ein lohnender Film, der einen zum Lachen bringt, Erinnerungen an die eigene Schulzeit aus dem Unterbewusstsein hervorkramt und doch einen manchmal das Lachen im Halse stecken lässt, wenn man die Geschichte in den größeren Kontext bringt und aufmerksam die ähnlichen Muster der Kommunikation wahrnimmt.
Ein kurzer #PresencingStatus soll auch an dieser Stelle nicht fehlen:
Gut - "Zeitgemäße" Kommödie, Dresden als Handlungsort altersmäßig sehr gemischtes Publikum
Tricky - Eindrücke verarbeiten, Verbindung zur Realität (auch in anderem Kontext) nicht einfach
Learned - "Dresden" zieht Dresdner ins Kino, Verhaltensmuster sind in der realen Welt sehr ähnlich
Action - Abschluss des MOOC #ULab & Verbindung zwischen ULab und Dresden weiterentwickeln
Auswahl einiger Kritiken in der deutschen Presse zum Film:
Spiegel-Kritik von Oliver Klever
FAZ-Kritik von Jan Weile
Abendzeitung München-Kritik von Adrian Prechtel
Tagesspiegel-Kritik von Julia Dettke
Handelsblatt-Kritik von Marcel Reich
... die Dresdner Zeitungen DNN bzw. Sächsische Zeitungen haben (bislang meines Wissens) keine im Web öffentlich zugängliche Kritik zum Film veröffentlicht