Quelle: http://www.staatsoperette-dresden.de |
Nach zahlreichen Besuchen von Opern und Ballett an der Semperoper (sowohl in der Semperoper zu Rusalka, Iolanta) als auch von Semper2 zu "Dido and Aeneas" wagte ich mich an, ein mir nicht mehr ganz so geläufiges Genre (der letzte Besuch in Leuben lag bereits 17 (!) Jahre zurück). Ebenfalls Gesang und Schauspiel, und doch so ganz anders. Doch was sollte mich und das fast volle Haus vorhin erwarten.
Vorab: ein Besuch von PASSION lohnt auf jeden Fall!!! (wer nur die Kurzfassung lesen möchte, diese findet sich am Schluss dieses Berichts)
Wie so oft auf der Bühne geht es um die Dinge des Lebens, die uns oft das Leben schwer machen und zugleich versüßen: Liebe & Emotionen, Human Dynamics, kleine Veränderungen, die es in sich haben. Nach einer kurzen Einführung durch den Dirigenten überraschte gleich die erste Szene, durch einen hüllenlosen Kurzauftritt der Hauptdarsteller - in den USA undenkbar, wahrscheinlich auch in Bayern (erinnere mich gerne an einen Besuch im FKK Luftbad Dölzschen als ein bayerisches älteres Ehepaar entrüstet nach einigen Minuten das Bad wieder verließ, irgendwie mussten sie was falsch verstanden haben).
Grandios, wie mit dieser bereits aufrüttelnden ersten Szene die Aufmerksamkeit des Publikums geweckt war, das nun noch fokussierter der Handlung, die sich aus dieser ersten Szene entspinnen sollte, folgte.
Entnommen aus dem Einführungstext: "„Passion” ist die Geschichte einer großen Leidenschaft.
Der junge Offizier Giorgio hat in Mailand eine leidenschaftliche Affäre mit der verheirateten Clara. Als er in die Provinz versetzt wird, lernt er die junge Fosca kennen. Sein anfängliches Mitleid für die todkranke Frau, deren Liebe zu ihm immer stärker den Zug einer Besessenheit annimmt, wird sehr schnell Faszination. Mehr und mehr ist Giorgio von den beiden ungleichen Frauen, mit denen er in Beziehungen lebt, überfordert…"
Es war faszinierend zu beobachten, wie im Wechselspiel zwischen Gesang, Gesprochenem und den puren Klängen aus dem Orchestergraben (hier handelte es sich mehr um eine "Orchesterhöhle", fast unsichtbar inmitten der Bühne integriert, nur den Dirigenten Peter Christian Feigel) sich die komplexe Dreiecksgeschichte entspann. Von bedingungsloser Liebe, dem Hin- und Hergerissensein von Giorgio (Marcus Günzel), und den Gegenspielerinnen Clara (Maike Switzer) und Fosca (Vasiliki Roussi), die lediglich über die Briefe von und Gespräche über Giorgio von sich erfuhren. Giorgio war zugleich Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung, er war das Rädchen, das den ganzen Zug der Leidenschaft und Verwicklungen aktiv beeinflusste. Zugleich war er das Boundary Object, das ihn mit den Frauen verband, als Informationsmedium fungierte, als Werkzeug des Mediziners wirkte, und an und in dem alle Handlungsstränge zusammenliefen.
Die Vielschichtigkeit der Dynamik der menschlichen Zusammenhänge war derart komplex, dass ein ergänzendes Workshopangebot für interessierte Besucher durchaus seinen Reiz hat, um die Situation auf der Bühne mit realen Begebenheiten und Herausforderungen menschlichen Zusammenlebens zu übertragen. Die Muster, die zu beobachten waren, sind durchaus allgemeingültig und können aus der gezeigten Liebesgeschichte auf andere komplexe menschliche Beziehungsgefüge übertragen werden.
Wer also den Weg in die Straßenbahn und über die Gleise der Landeshauptstadt nicht scheut (man steigt direkt vor der Operette aus, ca. 30 m Fußweg, und die Bahnen fahren auch bis spät in die Nacht auch in den VVO Verbundraum), dem ist ein aufregender Abend gewiss. Lässt man sich darüber hinaus auf das Unbekannte ein, wird man eine lehrreiche Erfahrung mehr mit nach Hause nehmen.
In aller Kürze der fast schon obligatorische PresencingStatus (Vier kurze Fragen in Reflexion des Erlebten):
1. Good: neues Genre kennengelernt; zu erleben, welches Leben ein schlichtes Gebäude versprüht, grandiose Schauspieler/ Sänger, Bühnenbild (minimalistisch die Bühne gereizt)
2. Tricky: Sitzreihenabstand (das Schicksal von 6' 4'' oder auch 189 cm großen Menschen wie mir), .. gab es noch was?
3. Learned: PASSION ist ein grandioses Stück, um Schülern, Studenten als auch Interessierten zu vermitteln wie menschliche Dynamik durch kleine Dinge ausgelöst werden kann, Staatsoperettenpublikum ist ein gänzlich anderes als das in Schauspielhaus oder Semperoper, stehende Ovationen scheinen nicht Usus zu sein (obwohl das Ensemble und die drei Hauptakteure es verdient haben (!))
4. Next Action: es wird nicht der letzte Besuch in Leuben gewesen sein, auch nicht die letzte Rezension, werde fleißiger schreiben (und noch viel lernen müssen, bis meine Texte Eingang in die Zeitung finden - was meinen Sie?)
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15./16.11.2011 weitere Vorstellungen an der Staatsoperette Dresden, Dresden Eins