Saturday, January 29, 2011

... was mich wirklich wirklich treibt (ein Interview)

RalfLippold (RaLi):
Das Vermarkten und Umsetzen von komplexen und neuen Produkten/ Services ist meine Passion. Oft finde ich mich als ausgleichender Mittler zwischen IT-Abteilungen und den das Programm nutzenden Anwendern wieder. IT-Experten meistens sprechen zwar Deutsch, doch einen anderen "Dialekt", der oft für den Anwender nicht verständlich ist und zu Missverständnissen führt. Meine Rolle bei CESAR (Containertrackingsystem) ist die Geschichte, die nun folgt.

Läuft seit 2001 wie 'ne Eins.

NN:
was genau hast Du da gemacht?

RaLi:
Im Rahmen von EU-Forschungsprogram Marco-Polo wurde ein länderübergreifendes Containertracking System für den europäischen intermodalen Schienentransport entwickelt. Das Konzept verband dezentrale und zentrale IT-Ausrichtungen der verschiedenen Operateure (ich arbeitete damals bei Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für Kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG in Frankfurt). Die Förderperiode neigte sich dem Ende und es stand die Frage an, "Wie weiter?".

Leider war bis zu diesem Zeitpunkt alles mehr oder weniger ein Prototyp. Umfangreiche Tests im Echtbetrieb standen noch aus. Erste Versuche fruchteten nicht, da die bisher involvierten Personen zu großen Teilen die operativen Gepflogenheiten nicht kannten. Spezifische Abfragen zu Containerstandorten ergaben nicht die gewünschten Ergebnisse. Das Programm hatte einen großen Vorteil: alles, was nicht vorher spezifiziert war (Containergrößen, Kunden, Strecken, Abrechnungsmodi, ....) wurde gnadenlos auf Fehlerliste geschickt ... und so wurde ich gefragt.

"Herr Lippold, Sie sind doch der Mann für's Komplexe / Unmöglich Scheinende? Trauen Sie sich zu, dieses Programm zum Laufen zu bringen?"

Es sollte ja auch weitergehen und nicht der ganze Aufwand auf der Strecke geblieben sein ....

.... bin ich zu ausführlich?

NN:
nein! wie gings weiter?

RaLi:
Also fing ich an - mit Gesprächen (doch damals gab es das Social Web noch nicht - so hieß es Telefon, Email und Screenshot).

Was braucht man, wenn man ein Programm richtig zum "Fliegen" bringen möchte?

Mehrere pfiffige Anwender und einen persönlichen Draht zur IT (die Jungs saßen verteilt in Brüssel, Lugano, Mailand, und in Frankfurt; an Skype war damals noch nicht zu denken). Ich bekam also die ersten Anrufe von Geschäftsführern, die sich ob der miserablen (war wirklich so (!))) Datenqualität beschwerten, die das Programm erzeugte. Ich hörte mir ihre Worte an, fragte, was genau sie eingegeben hatten (Desktopsharing gab es noch nicht, lediglich CITRIX). Es vergingen keine 2 Minuten und ich hatte einen fähigen Mitarbeiter vom Betrieb am Telefon. Mit dem spielte ich dann den zunächst nicht lösbaren Fall durch.  Siehe da: ein Screenshot und per Mail aus dem Bergischen nach Frankfurt geschickt löste das Rätsel umgehend.

Wenn die Firma "S.A.E." heißt, sollte man nicht darauf vertrauen, dass der Eintrag "SAE" irgendwelche Container aus dem System ausspuckt, oder?

.. so begann ich also meine Verbündeten auf der Kundenseite zu entwickeln, langsam Mann für Mann ... und nun hieß  es mit der Erstinfo zu "S.A.E." den Programmierer darauf vorzubereiten, dass die Eingabemaske etwas  flexibler gestaltet sein musste, so dass auch der Eintrag "SAE" mit gleichen Ergebnis möglich war oder mittels einer Auswahlliste die Namen erschienen... und so entwickelte sich ein täglicher Ablauf zwischen morgendlichem Fehlercheck.

Erkennen der Muster und stärksten Häufung. Hinterfragen, was die möglichen Ursachen sein konnten bei den unterschiedlichsten Abteilungen. Checken, ob die anderen Operateure in der Schweiz (HUPAC) und Italien (CEMAT) das gleiche Phänomen hatten. Gemeinsames Testen mit den Kunden, dann Besprechung mit den Kollegen der IT Abteilung bzw. dem externen Programmierer ... und so wurde das Programm immer besser. Nun war es nicht nur langsam für die Kunden zu gebrauchen, sondern auch für die Kollegen an den Umschlagbahnhöfen, wo die Container aufgeliefert und umgeschlagen wurden.

In den Jahren vor CESAR war es üblich, dass der Disponent des Spediteurs beim Umschlagterminal  gegen 5 Uhr morgens anrief und fragte, ob seine Container im Zulauf seien oder schon da sind. Auskunft via Telefon oder Fax, ein unheimlicher Aufwand, denn alle Speditionen, die Sendungen auf dem Zug hatten, wollten natürlich das Gleiche wissen - und Telefonleitungen und Faxgeräte waren begrenzt.

Wie genial wäre das denn, wenn die Disponenten alle zu Hause am heimischen Rechner schon schauen könnten, ob alles mit den im Zulauf befindlichen Containern passt? Noch besser wenn die Trucker, die die Container abholten, auch Zugang zu den Daten hätten (nur für die sie relevanten Container)? ... und so lief die "Perfektionsmaschine Lippold" auf Hochtouren. Kunden wurden zufriedener, stellten langsam auf PC-Auskunft und CESAR um. Die Kollegen an den Umschlagbahnhöfen wurden entlastet, Zusatzfunktionen  konnten hinzugefügt werden (z.B. Gefahrgutinformationen, Ansprechpartner, automatische Informatierung bei Ankunft, etc.) und das Programm und dessen Akzeptanz erhöhte sich von Tag zu Tag.

Erschöpft?

NN:


RaLi:
Im Sommer 2001 liefen die Sachen im Kleinen bereits sauber, die Dutzend aktiven Testkunden ließen Daten bereits über das Web überprüfen. Die Disponenten erfreuten sich am geringeren Aufwand gegenüber der früheren Telefonate und Fax. Die zusätzliche Zeit konnten Sie nun für die komplexeren Fragestellungen mit den Kunden nutzen. Als im August ein Meeting in Mailand auf dem Programm stand hatte ich ein Frisbee Turnier in Rostock, wurde ich um dringende Teilnahme gebeten. Da ich der Wissensträger und Boundary Spanner wurde ich als essentieller Teilnehmer empfunden, um das Projekt weiterhin nach vorne zu bringen.

Ich sagte, dass ich das Turnier bereits gebucht hätte, jedoch gerne kommen würde. Aus Zeitgründen dafür ein Flug von Rostock nach Mailand erforderlich sei. Wenn das machbar sei, könne ich am zweiten Tag des Meetings in Mailand dabei sein teilte ich dem IT-Leiter von Kombiverkehr, Gerhard Dittrich, mit.

So flog ich vom Rostocker Strand vom Frisbeeturnier gen Mailand. Es wurde ein Erfolg und der Aufstieg des Programms ging munter weiter. In den folgenden Monaten jedoch zog es mich nach Dresden und so übergab ich gut vorbereitet das Projekt an das Team, das mit meinen Unterlagen, Vernetzungen zu den Kunden und den IT-Kollegen das Ganze zu einem europäischen Erfolg wandelte. Inzwischen sind mehrere hundert Kunden (mit jeweils mehreren Accounts) angeschlossen und das Programm wird europaweit genutzt.

Einige Jahre später wurde ich vom Kernentwicklungs-Team der Operateure nach Rotterdam eingeladen. Als Ermöglicher der ersten Schritte auf der Erfolgsspur eines europaweit im Einsatz befindlichen Containertrackingsystems - es war grandios und ich erinnere mich noch gerne dran ..... solche Projekte mache ich am liebsten.

Komplexität einfach einfacher gestalten - eLEgANt ;-)

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