Quelle: Spielplan Semperper |
Bereits die fast ausverkaufte Einführungsmatinee (ungewöhnlich) und der Hinweis von Regisseur Axel Köhler, dass es seit der ersten Aufführung Semperoper 1822 (die Premiere fand 1819 in Berlin statt) schon fast 1.500 (!) Aufführungen dieser romantischen Oper an der Semperoper gab, ließ aufhorchen.
Für all diejenigen, denen der Inhalt der Oper unbekannt ist, hier in aller Kürze und dem Spielplanheft Mai/Juni/Juli der Semperoper Dresden entnommen:
"Das verzweifelte Verlangen nach Erfolg zieht den Jägerburschen Max in die finstersten Abgründe des nächtlichen Waldes und der menschlichen Seele. Max, einst bester Schütze weit und breit, steckt in einer Pechsträhne. Ein einziger Schuss soll über seine Heirat mit Agathe entscheiden - eine zu wichtige Angelegenheit, um sie dem Zufall zu überlassen. Um Mitternacht in der Wolfsschlucht gießt max mit dem zwielichtigen Kaspar die verfluchten Freikugeln, die niemals fehlgehen."
Das ausverkaufte Haus wirkte ca. 15 Minuten vor Start der Vorstellung wie ein ungebändigter Bienenschwarm, die OrchestermusikerInnen im Graben probten die letzten Tonfolgen und die Plätze hatten sich weit in die Stehplatzreihen im 4. Rang gefüllt. Erst die Ouvertüre zu "Der Freischütz" brachte das "Soziale Feld" zur Ruhe.
Was dann über gut zweieinhalb Stunden folgte ließ nicht nur musikalisch, sängerisch und spielerisch überraschen. Sah doch das Bühnenbild zunächst vergleichbar der Installation "Die Königskinder" aus und gedanklich war man schon (fast) in diesem Bild verhaftet. Doch Axel Köhler hatte nicht zu viel versprochen. "Schlag Mitternacht" brach die "Wolfsschlucht" aus der Hausinstallation heraus und man fand sich unvermittelt im düsteren Dickicht des "wahren Lebens". Der Druck, dem Max im Werben und Finden seiner Angebeteten durch deren Vater ausgesetzt sah, ist auch in heutigen Real-Umgebungen, sprich der selbst erlebten Arbeitswelt, sehr oft zu finden.
"Wie wird damit (zu oft) umgegangen?"
Überstunden, Aufputschmittel, Arbeit am Wochenende, ..... und und und.
"Nutzt es wirklich etwas, das Glück mit diesen "Freikugeln" herauszufordern, um dann noch tiefer zu fallen?"
Ganz sicher nicht. Max hat das Glück, dass ein Mentor (der Weise Mann) ihn wieder in der Gegenwart ankommen lässt (wo doch alles schon verloren, die Angebete "tot" und die Zukunft nichts mehr wert schien).
Was ist von dieser "romantischen" Oper zu lernen, das man auch im heutigen Leben gebrauchen kann: konzentriere Dich auf Stärken, Tiefen entpuppen sich oft als Grundlage für künftige Höhen, entsage "Freikugeln" und sei dankbar für einen Mentor, der Dein authentisches "Ich" wahrnimmt und die Stärke hat, dies auch gegenüber anderen in Deinem Leben wichtigen Personen zu artikulieren.
Wer Lust auf mehr bekommen hat: heute am 19. Mai 2015, 19:00 Uhr heißt es wieder "Der Freischütz" in der Produktion von Axel Köhler an der Dresdner Semperoper.
Zum Abschluss mein persönlicher Presencing Status wie stets in aller Kürze:
- Good - Integration von Gesang, Musik, Sprache, theatralischen Episoden (Kampf), Einspielung von "Überstimme"; Überraschungseffekte; komplexes wandlungsfähiges Bühnenbild, das die Stimmung der Entstehungszeit ausstrahlte; Licht- und Soundeffekte wie selten in einer Oper erlebt; Übertitel (trotz überwiegend gut verständlichen Gesangs)
- Tricky - ein Hörplatz im 4. Rang, der den kompletten Überblick über die Szene zu einer fortwährenden Herausforderung werden ließ
- Learned - Einführungsmatineen sind das "Salz in der Suppe" für den neugierigen Opernamateur (ab der neuen Spielzeit 2015/2016 heißt dieses Format "Premieren Kostprobe" und am 5. Oktober 2015, 18 Uhr ist die nächste Möglichkeit); SängerInnen und Chormitglieder besitzen sprachliche, komödiantisch und spielerische Fähigkeiten, die oft in dieser Weise in traditionellen Opern nicht zum Tragen kommen (die Vielfalt bereichert stets, denn sie spricht unterschiedliche Sinne beim Publikum an)
- Action - die Blogreihe zu Oper- und Ballettbesuchen an der Semperoper Dresden fortführen wie ich sie im Oktober 2010 mit diesem Beitrag begann
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