Sunday, September 13, 2015

Chemie verbindet - Wissenschaftsforum 2015 Chemie der GDCh

Das Wissenschaftsforum 2015 Chemie der GDCh (Gesellschaft Deutscher Chemiker) zog vor wenigen Tagen (30. August - 02. September 2015) nicht nur 2.000 Wissenschafter aus Nah und Fern nach Dresden, sondern machte einmal mehr deutlich, welche Kompetenzen und Potentiale am "Standort am Rande der Republik" vorhanden sind und die es zu "wecken" gilt.

Es sollte das erste Mal sein, dass das Wissenschaftsforum 2015 mit all seinen Nebenveranstaltungen und Mitgliedersammlungen der unterschiedlichsten Fachgruppen im Osten Deutschlands stattfand, wie Prof. Dr. Michael Ruck, TU Dresden und Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, und Vorsitzender des lokalen Organisationskomitees während der Pressekonferenz in der Börse Dresden betonte.

Dresden ist inzwischen in der allgemeinen Wahrnehmung als Standort des bedeutendsten europäischen Mikroelektronikclusters und diverser Forschungsschwerpunkte (z.B. Life Science, Nanotechnologie) der TU Dresden, die seit Sommer 2012 den Status einer Exzellenzuniversität trägt. Mit Chemie hingegen verbindet man die hiesige Wissenschafts- und Wirtschaftsszene nur selten. Die wenigsten werden wissen, dass Silikon in einer Nachbarstadt Dresdens, Radelbeul, mehr durch Zufall vom Chemiker Richard Müller entdeckt worden ist. Dabei, dessen sollten wir uns stets bewusst sein, steckt Chemie letztendlich in allem, was uns umgibt, vom Alltagsstoff bis hin zu neuen Werkstoffen (die Werkstoffwoche findet vom 14.-17. September 2015 übrigens ebenfalls in Dresden statt). 

Das Motto "Chemie verbindet", das betonte Dr. Thomas Geelhaar, Merck KGaA, Darmstadt und noch amtierender GDCh-Präsident (seine Nachfolgerin wurde auf dem Wissenschaftsforum 2015 gewählt und wird ab Januar 2016, die Präsidentschaft übernehmen), war nicht ohne Bedacht gewählt worden. Chemiker agierten in den vergangenen Jahrzehnten zu oft in ihren Elfenbeintürmen und hinter schwer dechiffrierbaren Formeln und Begrifflichkeiten, in einer immer komplexeren und mit großen Herausforderungen bedachten Welt (man denke an Energie, Nahrung und Wasserversorgung), die förmlich nach mehr Interdisziplarität und allgemeinverständlicher Kommunikation und neuen Formen der Wissensvermittlung rufen. Hier hat die während seiner Amtszeit gegründete Arbeitsgemeinschaft "Chemie und Gesellschaft" innerhalb der GDCh bereits einige Grundlagen für die Zukunft geschaffen, wie z.B. das Sonderheft "Der Menschenplanet - Aufbruch ins Anthropozän", das in enger Zusammenarbeit dem Deutschen Museum in München entstanden ist.

Dass die Vermittlung von Wissen, dessen Wert für die Gesellschaft und dessen Nutzbarmachung für Problemlösungen gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Art maßgeblich von der Sprache abhängt ist der Präambel der zuvor genannten Arbeitsgemeinschaft "Chemie und Gesellschaft" zu entnehmen:

"Hierbei sollten wir eine größere Bereitschaft zur Transdisziplinarität bis hin zum Brückenschlag 'Chemie und Geisteswissenschaften' zeigen und andere Disziplinen wie Kunst, Architektur oder Musik einbeziehen, um Begeisterung zu wecken"

Begeisterung wecken - das verwirklichte Prof. Dr. Stefan Hell, Träger des Nobelpreises in Chemie 2014, den er für seine Arbeit im Bereich der Fluorreszenzmikroskopie erhielt, mit seinem fulminanten Vortrag am letzten Tag des Wissenschaftsforums 2015. Die von ihm entwickelte Methode macht mikroskopische Auflösung unter die von Ernst Abbe postulierte ca. 200 nm (1/2 Wellenlänge des sichtbaren Lichts) hinaus möglich - dies durch einen (zunächst) physikalischen Trick. Selbstverständlich ist es mit Elektronenmikroskopen schon länger möglich geringere Auflösungen zu erreichen. Doch ist dies nicht z.B. bei lebenden menschlichen Zellen möglich. Durch bestimmte Substanzen können Zellenarten gezielt derart angeregt werden, dass sie Licht aussenden. Dies ermöglicht die Wahrnehmung mittels eines Lichtmikroskops. Jedoch sind bei der Sicht durch das Objektiv zur gleichen Zeit eine Vielzahl von Lichtpunkten innerhalb eines Schärfebereichs (ähnlich wie die bei einem Kameraobjektiv abhängig von der Blende der Fall ist).

Der geniale "Trick" den Prof. Stefan Hell umsetzte: die Leuchtanregung der nicht für die Beobachtung relevanten Zellen unmittelbar zu unterdrücken, d.h. sie dunkel zu lassen - "Make sure the molecule (cell) gets into the dark". Die Anzahl der An-/Aus-Zyklen entscheidet nun über die Auflösung und nicht mehr die Güte des Objektivs. Eine radikale, wenn auch schlichte, Idee, die zu zahlreichen Rückweisungen des Konzepts bei internationalen Journalen führte und ihm dann doch schlussendlich den Nobelpreis für Chemie 2014 gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen einbrachte.

Was ehemals als physikalisch-optische Frage begann hat sich nun gewandelt zu "Today it's a chemistry problem!", denn die Suche nach erforderlichen Molekülen, die die Fluoreszenz der Zellen unmittelbar ausschalten, hat erst begonnen.

In aller Kürze wie schon zu vergangenen Konferenzen, ob live oder digital begleitet hier der aktuelle PresencingStatus:


  • Good - Internationale Crowd in Dresden, sehr offene Chemiker-Gemeinschaft, die auch moderne Kommuniktionsmedien wie Twitter und Facebook aktiv nutzt (offizieller Hashtag und freies WLAN (!) in den Veranstaltungsräumen inklusive), Internetauftritt zweisprachig und die meisten der Vorträge auf Englisch
  • Tricky - bedingt durch die Masse an zeitgleichen Vorträgen war die Messe Dresden als Veranstaltungsort ausgewählt, die jedoch nicht in der Weise auf Konferenzen wie für Messen ausgerichtet ist (Steckdosen waren Mangelware in allen Räumlichkeiten, die diese bislang einzeln abgerechnet werden)
  • Learned - Wissenschaftsgemeinschaften, die über Jahrzehnte bzw. -hunderte in Fachkreisen kommuniziert haben ist ein Wandel hin zur Nutzung von neuer digitaler Kommunikationsmedien ein langer Weg, wobei die GDCh einen mutigen Schritt nach Vorne gewagt hat, der sich über Dauer auszahlen wird, auch um Chemie und dessen Bedeutung in Bevölkerung, Politik und Wirtschaft präsenter zu machen
  • Action - weiterhin über Felder und Fachdisziplinen schreiben, die als Boundary Object (siehe auch Beitrag zu Kartographie Boundary Object auf der 26. International Cartographic Conference Dresden 2013) die Fähigkeit haben andere Disziplinen und Stakeholder für breitere Ziel zusammenzubringen, sozusagen als Katalysator für die Zukunftsentwicklungen zu fungieren








Wednesday, June 3, 2015

Arbeiten wir noch im Gestern oder schon im Morgen?

1972 kam ich in die Schule als das Apollo Programm der NASA noch nicht die abschließende Mission Apollo 17 geflogen hatte. Im Gymnasium (Mitte der 70er bis Mitte der 80er) lernten wir u.a. in Erdkunde, dass sich die arbeitende Menschheit vom Primären Sektor (Landwirtschaft) langsam über den Sekundären Sektor (Industrie) hin zum Tertiären Sektor (Dienstleistung) verschieben würde. Ja, es stimmt, nur noch ein Bruchteil der Erwerbstätigen ist in den Industrieländern wie Deutschland noch  in der Landwirtschaft beschäftigt. Mechanisierung und Digitalisierung über die Jahrzehnte machten den Pflug mit Pferd (den konnte man tatsächlich noch auf einigen Feldern in Rheinhessen Mitte der 80er Jahre persönlich erleben) nicht nur überflüssig sondern brachte neue Arbeitsformen hervor. Nicht dass der Landwirt von heute weniger wüsste als seine Vorfahren, er konnte sich das Wissen von Damals und die Notwendigkeiten von Heute durchaus gemeinsam aneignen und erfolgreich umsetzen.

Wie konnte das geschehen und warum gerade in diesem Bereich?

Digitalisierung eröffnete Chancen (neben selbstverständlich auch vorhandenen Risiken), mit vorhandenen Ressourcen höhere Erträge als in der Vergangenheit zu erwirtschaften. Insbesondere die Öffnung Europas und die Erweiterung der EU-Grenze um Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland "zwangen" hiesige landwirtschaftliche Betriebe, neue Wege zu gehen (wollten sie nicht für immer verschwinden).

http://www.arbeiten4punkt0.org/wp-content/uploads/2015/05/Bildschirmfoto-2015-06-03-um-11.29.13.png

#Arbeiten40 (dies ist der Hashtag eines heute in Berlin stattfinden Barcamps, das von der Bertelmannstiftung und zahlreichen Mitorganisatoren veranstaltet wird) setzte in diesem Bereich möglicherweise früher (und ohne ein solches "Label" zu erhalten) ein, als in Industriebetrieben, die noch immer in großem Maße ihre Produkte unter Label "Made in Germany" zu guten Preisen in der Welt verkaufen können. Warum sollte ein Unternehmen, Manager oder gar die ganze Wirtschaft in Deutschland sich auf die Digitalisierung und neue Formen der Arbeit fokussieren, wenn es "offenbar" keine entsprechenden "Kräfte" von Außen gibt?

Warum also #Arbeiten40? Weil es #Industrie40 inzwischen als Trend gibt? Weil es alle machen? Weil es uns als notwendig und fortschrittsorientiert erscheint?

Vielleicht ist der Fokus zu kurz gesprungen. Schauen wir uns nach "Kurzweiliger" um - welche exponentiellen Technologien wie #AdditiveManufacturing, #MaterialSciences, #Robotics, #ArtificialIntelligence u.a. mehr umgeben uns, lesen wir in den Medien oder erfahren wir auf Konferenzen in diversen Live-Vorführungen.

Hat das noch mit den Arbeitsumgebungen und Arbeitsprozessen unserer Eltern, uns selbst oder unserer Kinder viel gemein? Wie bereiten wir uns selbst, unsere Unternehmen und die Gesellschaft auf diese unzweifelhaft kommenden (so wie es Eisenbahn, Telefon, Asphalt, Beton, Internet in der Vergangenheit getan haben und Gesellschaften von oben bis unten und links bis rechts komplett gewandelt haben) Veränderungen vor?

Wie kann Arbeiten aussehen, wenn Menschen sich nicht unmittelbar am Ort der Leistungserstellung treffen, Ideen in Realitäten umsetzen, Fehler machen und gemeinsam lernen? Die digitale, denn zwei Zugstunden im Süden in Dresden sitzend, Teilnahme am Barcamp #Arbeiten40 hat mir erneut gezeigt, dass es noch ein langer Weg ist, Menschen, Nutzung digitaler Technologien und neue Wege der Zusammenarbeit (ob in Firmen, Unternehmensverbänden, anderen Organisationsformen) miteinander zu verbinden.

Meine Lessons Learned, auch #PresencingStatus genannt, während das Barcamp in seine letzte Phase eintritt:

Good - statt nach Berlin zu fahren digital dabei zu sein (soweit es die Zeit und Umstände erlaubten)

Tricky - es ist enorm herausfordernd, die Masse an Menschen für die Nutzung (da wo wertschöpfend) neuer Medien hinzuführen und zu begeistern

Learned - es braucht mehr Geschäftsführer wie Jan Westerbarkey von Westaflex, die neue Wege gehen und diese öffentlich über Social Media der verschiedensten Art teilen

Action - Abschlusspanel auf Twitter und sonstwie verfolgen (vielleicht gibt's wieder Livestream via Tablet oder Laptop?!)

Dank an Ole Wintermann & Team für die Ermöglichung dieses Barcamps, das nach Nachahmern ruft


Wednesday, May 20, 2015

Ein guter Ort - notwendige oder hinreichende Bedingung für gesellschaftlichen Dialog?

Am 28.03.2015 fand im Internationalen Congress Center Dresden die 1. Dresdner Bürgerkonferenz statt. Ebenfalls an diesem Ort hatte am 21.01.2015 das 1. Dialogforum Sachsen stattgefunden. Und doch waren die Veranstaltungen grundverschieden.

Einige Wochen später, gegen Ende März 2015, fand das inzwischen 2. Dialogforum Sachsen an einem neuen Ort, dem Albertinum, statt, zu dem wiederum rund 300 Bürger Sachsens eingeladen bzw. durch einen notariell begleiteten Auswahlprozess ihre Einladung per Telefonanruf erhielten.

Was einige Wochen zuvor seinen Anfang im Internationalen Congress Center Dresden genommen hatte, fand an diesem Abend im überdachten Innenhof des Albertinums seine Fortsetzung. Kurz nach der Neueröffnung des Albertinums im Oktober 2010 wurde dieser "neue" Raum erstmals vollständig für eine künstlerische Inszenierung genutzt. Das Semperoper Ballett führte dort die Choreographie von Jiri Bubenicek auf und das Publikum, das den TänzerInnen während vier Vorstellungen an zwei Tagen durch die Räumlichkeiten des Museums auf Schritt und Tritt folgte war fasziniert.

Diese Erinnerungen an die Tage im Oktober 2010 waren es, die mich beim Eintreten in den unübersehbar mit Dutzenden von weißen Tischen und noch mehr Stühlen und Menschen aus Dresden, Sachsen und dem Ausland (die in Sachsen wohnen, leben und arbeiten) gefüllt war nachdenklich werden lassen.

"Was wird der Abend bringen?" - unbestimmte Neugier überfiel mich, und nicht nur mich.

Graphic Recording of #ULab MOOC by @kelvy_bird


Kurz zuvor hatte ich mich bereits mit zwei Teilnehmern des MOOC "U.Lab: Transforming Business, Society and Self" aus Dresden getroffen, um das Dresden U.Lab Hub mit einem persönlichen Kennenlernen zu starten. Ein 1-minütiger persönlicher Vorstellungspitch, wie wir es inzwischen bei unseren regelmäßigen Treffen von "Dresden Business International Group" halten, brachte die Grundlage für einen intensiven Dialog, der uns über leckeren Kaffee (auch mit Sojamilch) fast den Start des #Dialogmiteinander im Nachbargebäude vergessen ließen.

Das Albertinum, ein (aus meiner persönlichen Sicht) wahrhaft "guter Raum", der als Katalysator zwischen Bürgerschaft und diversen Themen, ob Kunst, Technologie oder wie am heutigen Tage sozialen Herausforderungen, dienen kann. Möge es der Beginn vergleichbarer Veranstaltungen dieser Art dort gewesen sein. Die Energie, die in diesem ausladenden Raum innewohnt ist unvergleichlich (dies ist ein persönlicher Eindruck).

Nachdem wir als TeilnehmerInnen im Vorraum, neben der Skulpurenhalle, über die Teilnehmerliste verifiziert worden waren musste sich für eines der beiden Themenfelder "Asyl" und "Bürger, Gesellschaft, Politik" für den Abend entschieden werden. Ein Tischlos machte den "Anmeldeprozess" komplett und so konnte der Abend beginnen.

Es warteten einige Stunden mit hitzigen, interessanten und perspektivenöffnenden Gesprächen (noch kann man es nicht Dialog im Engeren bezeichnen, denn noch herrschte eine Darlegung der unterschiedlichen Positionen an den Tischen vor, ohne einen gemeinsamen Blick in die Zukunft zu eröffnen) - #Dialogmiteinander (der Dialog auf Twitter, der im Verlauf der inzwischen drei stattgefundenen Veranstaltungen merklich abgenommen hat).

Zwischenzeitlich (dieser Beitrag schlummerte einige Wochen) hat das 3. Dialogforum Sachsen (diesmal in Chemnitz im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (emac) stattgefunden. Eine wiederum neue Umgebung, neues Publikum, Weiterführung der bereits beim 1. Dialogforum Sachsen begonnen Gesprächsthemen.

Drei Mal ca. 300 Sachsen (Einheimisch und Zugewanderte aus aller Welt) - reicht das, das soziale Feld eines ganzen Bundeslandes zu verändern? Was macht man als Bürger, wenn man nicht ausgewählt worden ist oder wegen der Entfernung zum Veranstaltungsort keine Möglichkeit der Teilnahme hat? Ist es eine rein politisch getriggerte Veranstaltung oder liegt die Intention an der aktiven Einbindung des Bürgerwillens?

Fragen, die sich jeder selbst beantworten mag und auch mit ihrer bzw. seiner inneren Einstellung aktiv zu fördern kann.

Nachfolgend einige weitere Stimmen/Blogs zu den vergangenen Veranstaltungen des Dialogforum Sachsen:

Dialoggestalter (Kurzbericht von den Veranstaltern des Formats "Dialogforum Sachsen")
Sachsen Fernsehen (Bericht vom 3. Dialogforum Sachsen)
Katharina Weyandt (Teilnehmerin 3. Dialogforum Sachsen)
Jan Pötzscher (Teilnehmer 2. Dialogforum Sachsen)
Antje Osiander (Teilnehmerin 1. Dialogforum Sachsen)
MDR Sachsen (Bericht vom 1. Dialogforum Sachsen)

Hier der vollständige Abschussbericht zu den drei durchgeführten Veranstaltungen von #Dialogmiteinander (Dresden und Chemnitz) von Dialoggestalter

Zum Abschluss meine Gedanken mit ein paar Wochen Distanz im bewährten Presencing Status:
  • Good? - ein faszinierender Ort, heterogenes Publikum, Gesprächsformat
  • Tricky? - an den Tischen fehlte ein erfahrener Moderator/Facilitator, dominante Tischteilnehmer drängten leisere Teilnehmer aus dem Gespräch (wenn auch oft unbeabsichtigt), Online-Partizipation via "Dialog miteinander in Sachsen" komplizierter als zunächst angenommen
  • Learned? -Veränderungen innerhalb von "lebenden Systemen", wie es die Gesellschaft mit ihren zahlreichen Schichten, Gruppen, Bedürfnissen und Erfahrungen darstellen benötigen Zeit, Einfühlungsvermögen, Transparenz (über den Prozess und die Ziele) sowie eine gemeinsam teilbare Vision, in der sich alle Bevölkerungsgruppen in der einen oder anderen Weise wiederfinden
  • Action? - Gedanken niederschreiben und online stellen (was hiermit geschehen ist)

UPDATE 2018-11-21
Die 5. Ausgabe des MOOC "u.lab - Leading From the Emerging Future" läuft seit Mitte September (wie jedes Jahr) und endet Mitte Dezember 2018.

Zusätzlich existiert ein weiteres Projekt "Transforming Capitalism Lab", eine Kooperation zwischen dem Presencing Insittute und der Huffington Post. Ab 2019 wird dieses Projekt in "Societal Transformation Lab" überführt, das für Teams von 4-5 Personen offen ist.

UPDATE 2017-10-16
Seit 16. September findet bereits zum 4. Mal der MOOC "u.lab - Leading From the Emerging Future" statt. Einstieg ist jederzeit möglich.

Kurssprache ist Englisch. In Sachsen gibt es auch deutsch- bzw. englischsprachige Aktivitäten. Mehr unter: #ulabsaxony (auf Twitter und Facebook)

UPDATE 2017-05-10:
Seit dem 20. April 2017 läuft ein Prototyp-MOOC (Vorbereitung für den regulären MOOC "u.lab - Leading From the Emerging Future" im Herbst auf der neuen Webpräsenz.

Eine Teilnahme ist jederzeit möglich! Die Kurssprache ist Englisch.

Tuesday, May 19, 2015

Unverhofft kommt oft - oder was der Freischütz mit dem wahren Leben zu tun hat

Nachdem vor gut einem Monat die Einführungsmatinee zur Neuinszenierung von Carl Maria von Webers "Der Freischütz" an der Dresdner Semperoper anstand ging es in die von Peter Schneider am Pult geleitete Aufführung.

Quelle: Spielplan Semperper 
Es war nach langer Zeit die erste Oper bzw. Neuinszenierung, die nicht nur aus einem Impuls der Neugier nach der Einführungsmatinee am 14. April 2015 heraus gekauft worden war sondern auch hier im Blog eine ausgiebige Erwähnung findet.

Bereits die fast ausverkaufte Einführungsmatinee (ungewöhnlich) und der Hinweis von Regisseur Axel Köhler, dass es seit der ersten Aufführung Semperoper 1822 (die Premiere fand 1819 in Berlin statt) schon fast 1.500 (!) Aufführungen dieser romantischen Oper an der Semperoper gab, ließ aufhorchen.

Für all diejenigen, denen der Inhalt der Oper unbekannt ist, hier in aller Kürze und dem Spielplanheft Mai/Juni/Juli der Semperoper Dresden entnommen:

"Das verzweifelte Verlangen nach Erfolg zieht den Jägerburschen Max in die finstersten Abgründe des nächtlichen Waldes und der menschlichen Seele. Max, einst bester Schütze weit und breit, steckt in einer Pechsträhne. Ein einziger Schuss soll über seine Heirat mit Agathe entscheiden - eine zu wichtige Angelegenheit, um sie dem Zufall zu überlassen. Um Mitternacht in der Wolfsschlucht gießt max mit dem zwielichtigen Kaspar die verfluchten Freikugeln, die niemals fehlgehen."

Das ausverkaufte Haus wirkte ca. 15 Minuten vor Start der Vorstellung wie ein ungebändigter Bienenschwarm, die OrchestermusikerInnen im Graben probten die letzten Tonfolgen und die Plätze hatten sich weit in die Stehplatzreihen im 4. Rang gefüllt. Erst die Ouvertüre zu "Der Freischütz" brachte das "Soziale Feld" zur Ruhe.

Was dann über gut zweieinhalb Stunden folgte ließ nicht nur musikalisch, sängerisch und spielerisch überraschen. Sah doch das Bühnenbild zunächst vergleichbar der Installation "Die Königskinder" aus und gedanklich war man schon (fast) in diesem Bild verhaftet. Doch Axel Köhler hatte nicht zu viel versprochen. "Schlag Mitternacht" brach die "Wolfsschlucht" aus der Hausinstallation heraus und man fand sich unvermittelt im düsteren Dickicht des "wahren Lebens". Der Druck, dem Max im Werben und Finden seiner Angebeteten durch deren Vater ausgesetzt sah, ist auch in heutigen Real-Umgebungen, sprich der selbst erlebten Arbeitswelt, sehr oft zu finden.

"Wie wird damit (zu oft) umgegangen?"

Überstunden, Aufputschmittel, Arbeit am Wochenende, ..... und und und.

"Nutzt es wirklich etwas, das Glück mit diesen "Freikugeln" herauszufordern, um dann noch tiefer zu fallen?"

Ganz sicher nicht. Max hat das Glück, dass ein Mentor (der Weise Mann) ihn wieder in der Gegenwart ankommen lässt (wo doch alles schon verloren, die Angebete "tot" und die Zukunft nichts mehr wert schien).

Was ist von dieser "romantischen" Oper zu lernen, das man auch im heutigen Leben gebrauchen kann: konzentriere Dich auf Stärken, Tiefen entpuppen sich oft als Grundlage für künftige Höhen, entsage "Freikugeln" und sei dankbar für einen Mentor, der Dein authentisches "Ich" wahrnimmt und die Stärke hat, dies auch gegenüber anderen in Deinem Leben wichtigen Personen zu artikulieren.

Wer Lust auf mehr bekommen hat: heute am 19. Mai 2015, 19:00 Uhr heißt es wieder "Der Freischütz" in der Produktion von Axel Köhler an der Dresdner Semperoper.

Zum Abschluss mein persönlicher Presencing Status wie stets in aller Kürze:

  • Good - Integration von Gesang, Musik, Sprache, theatralischen Episoden (Kampf), Einspielung von "Überstimme"; Überraschungseffekte; komplexes wandlungsfähiges Bühnenbild, das die Stimmung der Entstehungszeit ausstrahlte; Licht- und Soundeffekte wie selten in einer Oper erlebt; Übertitel (trotz überwiegend gut verständlichen Gesangs)
  • Tricky - ein Hörplatz im 4. Rang, der den kompletten Überblick über die Szene zu einer fortwährenden Herausforderung werden ließ
  • Learned - Einführungsmatineen sind das "Salz in der Suppe" für den neugierigen Opernamateur (ab der neuen Spielzeit 2015/2016 heißt dieses Format "Premieren Kostprobe" und am 5. Oktober 2015, 18 Uhr ist die nächste Möglichkeit); SängerInnen und Chormitglieder besitzen sprachliche, komödiantisch und spielerische Fähigkeiten, die oft in dieser Weise in traditionellen Opern nicht zum Tragen kommen (die Vielfalt bereichert stets, denn sie spricht unterschiedliche Sinne beim Publikum an)
  • Action - die Blogreihe zu Oper- und Ballettbesuchen an der Semperoper Dresden fortführen wie ich sie im Oktober 2010 mit diesem Beitrag begann

Thursday, February 19, 2015

Frau Müller muss weg - oder die ungewollte Demaskierung der eigenen Realität

Dies wird meine erste Filmkritik sein. Standen zumeist Opern und Ballette im Fokus meiner bisherigen Reviews, so inspirierte der von Sönke Wortmann ("Deutschland. Ein Sommermärchen") kürzlich ins Kino gekommene Film "Frau Müller muss weg" meinen Schreibimpuls.



Eigentlich war es mehr ein Zufall, doch die Laufzeit am Samstagabend ermöglichte einen entspannten Besuch mit Freunden in einem republikweit mehr als bekannten Programmkino, dem PK Ost (Programmkino Ost), wie es hier in Dresden kurz heißt. "Frau Müller muss weg" lief am Samstag um 19 Uhr im GLORIA Saal, der mit reichlich 200 Zuschauern gut gefüllt war.

Dass das, was zunächst als Kommödie vermutet worden war von, sich letztlich als psychologische Studie Dresden in einem Mikrokosmos, nämlich der Schule (und bei ein wenig mehr Abstand sogar einem umfänglicheren Kontext) entpuppte, ließ sich bei den ersten auf der Leinwand vorbeiflimmernden Momentaufnahmen der Dresdner Stadtsilhouette nicht erahnen.

Der Plot ist schnell erzählt: eine Handvoll besorgter Eltern haben Angst, um die für eine Versetzungsempfehlung erforderlichen Noten ihrer Sprösslinge und haben sich in Vertretung für die komplette Klasse (eine Unterschriftenliste als Beweis) an einem schulfreien Samstag mit der Klassenlehrerin zu einer Aussprache verabredet. Man will ihr nahelegen, dass sie die Klasse noch vor den Halbjahreszeugnissen abgeben soll, da sie aus Elternsicht nicht ihren pädagogischen Auftrag erfüllt. Die Klassenlehrerin, wider Erwarten resoluter und leidenschaftliche Pädagogin ist zunächst geschockt, benötigt einen Moment, hinterfragt einige als unverrückbare Realität dargestellte Ereignisse und verlässt erbost das Klassenzimmer. Doch sie vergisst ihre Tasche (nebst Terminplaner und Notenübersicht).

... und hier beginnt sich die Geschichte richtig zu entwickeln, anders als zunächst zu erwarten.

Sicher auf den ersten Blick mag es um die "Helikopter-Eltern" gegangen sein, die sich in das Leben ihrer Sprösslinge derart einmischen, dass sie selbst wieder die Hausaufgaben machen, nur um sicherzustellen, dass die Noten stimmen. Dabei vergessen sie jedoch, dass es neben den schriftlichen auch mündliche Prüfungen gibt. Hier fällt spätestens den Lehrern in der Regel auf, dass etwas nicht stimmt.

Aus einem größeren Abstand betrachtet spielte sich an dem Tag in der Schule mehr ab als nur der beabsichtigte "Rausschmiss" der Lehrerin aus ihrer Klasse. Es war ein Spiegelbild des ganz "normalen" Wahnsinns, der sich auch 25 Jahre nach der Wende beobachten lässt, wenn in Westdeutschland sozialisierte Zugereiste (die lediglich wegen ihres Jobs z.B. in Dresden sind) und sich wundern, dass die Integrationskultur eine gänzlich andere als z.B. in Köln ist. War noch zu Beginn des (Film-)Tages die selbsternannte Wortführerin Jessica (gespielt von Anke Engelke) der Kristallisationspunkt der "Elternattacke" zerbrach dieses Muster sobald die Gruppe auf einmal ohne ihr "Bekämpfungsobjekt" (Lehrerin Frau Müller, gespielt von Gabriele Maria Schmiede) im Raum stand. Die Energie, die sich bisher auf Frau Müller konzentriert hatte, lag nun sozusagen im Leerlauf.

Es war, als ob sich alle Beteiligten auf einmal ganz anderen Themen widmeten, während sie allesamt versuchten Frau Müller im Schulhaus (durchaus mit einigen überraschenden Wendungen, .... "Ich suche Frau Müller!", "Im Wasser?" Persönliche Angelegenheiten aller Beteiligten, die bislang durch den Fokus auf das Wohl der Sprösslinge mehr als nur überlagert, sondern sogar zugedeckt waren, traten zu Tage.

Überspitzt und skaliert ist die Geschichte im samstäglichen Schulhaus auch in die Republik zu verlagern, in der oft Politik und Politiker die Geschicke der Bevölkerung sprich Bürger zu regeln versuchen. Nicht immer unter voller Wahrnehmung untrüglicher Anzeichen der Veränderung, die dann von heute auf morgen als unlösbar scheinende Probleme gesellschaftlicher Art wahrgenommen werden. Die Gesprächskultur fällt dann teilweise in einen Modus (zwischen allen Beteiligten) zurück, der den hitzigen Eskapaden der Akteure in "Frau Müller muss weg" nicht unähnlich sind (wenn auch nicht ganz so überspitzt).

Alles in allem ein lohnender Film, der einen zum Lachen bringt, Erinnerungen an die eigene Schulzeit aus dem Unterbewusstsein hervorkramt und doch einen manchmal das Lachen im Halse stecken lässt, wenn man die Geschichte in den größeren Kontext bringt und aufmerksam die ähnlichen Muster der Kommunikation wahrnimmt.

Ein kurzer #PresencingStatus soll auch an dieser Stelle nicht fehlen:

Gut - "Zeitgemäße" Kommödie, Dresden als Handlungsort altersmäßig sehr gemischtes Publikum
Tricky - Eindrücke verarbeiten, Verbindung zur Realität (auch in anderem Kontext) nicht einfach
Learned - "Dresden" zieht Dresdner ins Kino, Verhaltensmuster sind in der realen Welt sehr ähnlich
Action - Abschluss des MOOC #ULab & Verbindung zwischen ULab und Dresden weiterentwickeln

Auswahl einiger Kritiken in der deutschen Presse zum Film:

Spiegel-Kritik von Oliver Klever
FAZ-Kritik von Jan Weile
Abendzeitung München-Kritik von Adrian Prechtel
Tagesspiegel-Kritik von Julia Dettke
Handelsblatt-Kritik von Marcel Reich
... die Dresdner Zeitungen DNN bzw. Sächsische Zeitungen haben (bislang meines Wissens) keine im Web öffentlich zugängliche Kritik zum Film veröffentlicht